Ein sehr aufregender Tag. Was ich im gestrigen
Blog noch nicht geschrieben hatte: In Cashapampa und den ersten ein-/zwei
Stunden gab es Stechviecher… Natürlich war ich ein gefundenes Fressen. Zweimal
im linken arm, in beide Waden und einmal im rechten Mittelfinger und rechts
direkt neben der Uhr. Das Tier neben der Uhr hat es wohl wissen wollen, mein
Arm ist am abend noch dick angeschwollen. Die Nacht über habe ich nicht ganz so
gut geschlafen, bin immer wieder aufgewacht, weil irgendwas weh tat. Manchmal
auch der Arm. Der fühlte sich mittlerweile an, als ob jemand darunter einen
Luftballon aufbläst.
Um 7 Uhr sind wir aufgestanden, haben
zusammengepackt und gefrühstückt. Wir sind nicht ganz so schnell los gekommen,
wie geplant war, aber gut. Wie am Vorabend ausgemacht, teilten Lukas und ich
uns heute seinen Rucksack und mein Rucksack kam aufs Pferd. Trotz dass ich
Lukas Rucksack erstmal noch eine ordentliche Diät verpasst hatte (wer nimmt
denn in nem Tagesrucksack Panzertape, Taschenlampe, Leatherman und Taschenmesser
mit, wenn man weiß, dass man am selben Tag im hellen ankommt), war der Rucksack
noch sehr schwer. Wir hatten uns auf einen stündlichen Wechsel geeinigt. Wer
anfängt haben wir geklärt wie echte Männer: schnick-schnack-schnuck. Er durfte
die erste Stunde tragen. Als ich dann ohne Rucksack los bin, hat sich das schon
sehr komisch angefühlt. Als ich nach einer Stunde dann selber den Rucksack auf
dem Rücken hatte, war ich froh, dass ich den nur eine Stunde tragen muss ;)
Doch dazu kam es nicht. Mein rechter Arm wurde
immer immer dicker. Jetzt war auch meine Hand aufgeblasen, wie ein
Latexhandschuh, wenn man ihn als Luftballon nutzt. Irgendwann kam mir der
Gedanke, dass ich ja gerade unter der hohen Belastung und der maximalen Höhe von
4700m vielleicht einen Allergischen Schock bekommen könnte. Panik machte sich
breit. Ich lief zu Antonio und schilderte ihm mein Problem. Er begann meinen
Arm zu massieren, meinte aber auch „das sieht gar nicht gut aus“. Ich glaube so
eine heftige Reaktion auf einen Insektenstich hatte ich noch nie. Nach der
Massage und kurzzeitigen Bad im eiskalten Gletscherfluss, kam eine Gruppe
Franzosen an. Ich winkte mit meinem Arm – dick wie ein Zaunpfahl – und fragte
ob sie vielleicht ein Anti-Allergikum dabei hätten. Sie verneinten.
Dann war ich den Tränen schon sehr nah, bzw.
ich weinte. „Muss ich mich jetzt wirklich aufs Pferd setzten und zurück nach
Cashapampa reiten? Ist das Trekking jetzt echt wegen so nem beschissenen
Insektenstich gelaufen?“ Falls mir nämlich irgendetwas passieren sollte, dann
gibt es hier nur einen Weg zum nächste Arzt: 5 Std mit dem Pferd nach
Cashapampa, dann 45min mit dem Bus/Auto ins nächste Dorf. Bergrettung mit
Helikopter oder so gibt’s hier nicht. Scheiße, was mach ich jetzt?
Dann kam einer der Franzosen an und meinte er
hätte ein Antihystamin (also so eine Art Anti-Allgergikum) dabei, eigentlich
sei das, gegen so Pollenallergieen, aber vielleicht hilft es ja bei mir auch. Er
gab mir eine Tablette, die ich sofort schluckte. Da meine Wasserflasche etwas
weiter weg lag, griff ich zu Antonios Tee und verbrannte mich gleich mal. Halb
so wild, die Tablette war unten. Das Problem mit dem weitergehen oder nicht
aber deshalb noch nicht gelöst. Gerhard meinte dann, dass er glaube, dass Allergische
Schocks eigentlich direkt nach der Intoxikation auftreten und das sei bei mir
ja schon ca. 24h her. Das beruhigte mich dann schon, wir legen meinen Arm in
eine Schlinge, damit die Hand nicht noch weiter anschwillt. Rucksack tragen war
dann also auch nicht mehr möglich, ich nahm meine volle Trinkflasche in die
linke Hand, damit Lukas schon mal ein Kilo weniger zu schleppen hatte.
Wir zogen also weiter und erreichten dann ein
Camp, wo wir eine größere Pause einlegten und etwas aßen. Da mein Rucksack mit
Stativ und Co. ja auf dem Pferd festgezurrt war, kam ich da doch nicht so
leicht ran, aber es gelang mir zumindest den Fernauslöser rauszufischen und ich
habe die Kamera für die Timelapse einfach auf den Boden gelegt. Wir waren da
bereits auf 4200m. Bis jetzt habe ich gar keine Probleme mit der dünnen Luft,
das einzige was stört ist, dass der Mund durch das Atmen extrem austrocknet,
das ist echt unangenehm. Von der her war es gut, dass ich meine Trinkflasche
immer in der Hand hatte, ich konnte also kurz dran nippen und mein Mund hat
sich für 10 Sekunden wieder normal angefühlt.
Es ging also weiter den Pass hoch. 4700m war
unser Ziel. Von der Kraft her ging das auch, aber die Luft wird immer dünner
und man läuft irgendwann so langsam, dass man innerhalb zwei Schritten einmal
komplett ganz tief ein und ausgeatmet hat. Zeitlupenwandern. Nebenbei bewegt
sich der Puls (bei mir) irgendwo zwischen 185 und Nirvana. Man kämpft um jeden
Schritt, geht die kleinsten Stufen hoch, die man finden kann und sucht akribisch
die vermeintlich bequemste Route. Wir kämpften alle, außer Antonio natürlich^^
Selbst Antonios Freundin die auch mitlief, hatte Probleme mit der Höhe und
setzte sich kurzzeitig aufs Pferd.
Ich machte irgendwann eine kurze Pause zum
Luftholen. Lukas blieb bei mir stehen, dann hat Antonio auch auf uns aufgeholt
(er hatte vorher mit den Eselstreibern geredet). Und uns motiviert weiter zu
gehen, Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug. Ich weiß das hört sich jetzt
an wie eine Himalaya Expedition, aber für jemand untrainiertes wie uns, die
normalerweise im Flachland irgendwo weit unter der 1000m Grenze wohnen ist das
schon ganz schön heftig. Eine ganz neue Grenze, die ich an meinem Körper
kennengelernt habe. Ich kannte bisher nur, dass die Beine brennen und alles
wehtut. Hier war es eben die Luft die einen ausbremst und das Tempo angibt.
Endlich oben angekommen ist es ein tolles aber
auch ganz anderes Gefühl, denn nach einer Minute stehen, geht es einem wieder
gut, der Puls ist wieder unten und man fühlt sich frisch. Aber wehe man steht
wieder auf, dann legt die Pumpe aber wieder los ;) Dort oben bot sich uns eine
super Aussicht. Dazu habe ich vor lauter Drama ja noch gar nichts geschrieben…
Ja die Landschaft hier ist der Hammer, man läuft an blauen Gletscherseen
vorbei, sieht Schneebedeckte Gipfel weit über der 5000er Grenze, teilweise
knapp 6000m hoch, einfach toll. Sehr mächtig alles.
Während wir oben saßen und Pause gemacht
haben, es war glücklicherweise dank der Sonne angenehm warm (mit Pulli,
Unterhemd und Mütze versteht sich), kamen unsere Esel vorbei. Wir wunderten uns
schon, warum sie uns noch nicht überholt hatten. Antonio klärte uns dann auf:
Letzte Nacht sind die Esel ausgebüxt und zurück nach Cashapampa gelaufen.
Unsere Eseltreiber sind also am Morgen wieder zurück nach Cashapampa, haben
dort die Esel aufgetrieben und dann wieder zu unserem Lager der letzten Nacht,
Esel bepackt und weiter geht’s. Die Eseltreiber sind also mal schnell an einem
Tag unsere erste Etappe rückwärts, vorwärts und noch unsere zweite Etappe
gelaufen – ja nee ist klar, krasse Typen – in Sandalen versteht sich.
Dann wurde kurzfristig beschlossen, dass wir
doch eine halbe Stunde weiter laufen könnten und dort campen. Mir war es egal,
denn jetzt ging es eh nur noch bergab. Nach einer Stunde machten wir noch
einmal eine kleine Pause, denn die Zelte sind je eh noch nicht aufgebaut. Dann
liefen wir ganz runter zu unseren Zelten und bezogen diese. Beziehen heißt:
völlig erschöpft den Rucksack und Seesack zum Zelt schleppen, Isomatte aufpusten
und erstmal 10Min auf die Isomatte legen. Dann den Schlafsack auspacken und
wieder 10Min hinlegen. Dann den Rucksack rein und wieder 10Min dösen. Dann
gibt’s Tee und Snack und später essen.
Fazit des Tages: Fast aufgegeben, vom
Franzosen gerettet, von Antonio motiviert, aber gesund und munter :)
Jetzt mach ich Stern-Fotos bis der Mond
aufgeht oder das Essen fertig ist.
Mehr Bilder gibts natürlich auch :)
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